Kondolenzratgeber

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II.9 Der tragische Tod des einzigen Kindes... eine Anklage?

Liebe Frau Wenzel, lieber Herr Wenzel,.
die Zeitungsanzeige vom tragischen Verkehrstod Ihrer einzigen jungen Tochter und Ihr dreifacher Aufschrei "Warum? Warum? Warum?" schneidet mir tief ins Herz.. Sie haben mit Ihrem Kind die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft und Ihren Lebensentwurf verloren.

Bisweilen wird uns Menschen vom Schicksal mehr aufgebürdet, als wir verkraften zu können scheinen. Zur Frage nach menschlicher Schuld und Verantwortung, nach Vermeidbarkeit des Geschehens kann ich nicht Stellung nehmen, aber weil Sie Ihren absolut berechtigten verzweifelten Aufschrei als Anklage an den sonst gütigen und gerechten Gott verstehen, möchte ich Ihnen sagen, dass Gottes Gedanken oft ganz anders sind, als wir Menschen Sie uns vorstellen. Dennoch dürfen wir ganz sicher sein, dass er es gut mit einem jeden Menschen meint, auch wenn der äußere Anschein in eine andere Richtung weist. Lassen Sie sich die gläubige Zuversicht nicht nehmen, dass Gott unser aller lieber Vater ist und Ihre geliebte kleine Tochter längst zärtlich in seine Arme genommen und sie zu sich heimgeholt hat.

Ich möchte Sie auf den alttestamentarischen Hiob aufmerksam machen, auf diese Symbolgestalt menschlichen Schmerzes und menschlichen Leidens, der nicht nur sein gesamtes Hab und Gut, sondern auch alle seine geliebten Kinder verloren hat. Auch er hat an Gott gezweifelt, ihn grausam und ungerecht gefunden, ihn angeklagt. Aber nach einem Prozess der Reifung hat er zu der fast übermenschlichen Größe finden können, bei all seinem Schmerz Gott die Ehre zu geben, indem er folgende Worte sprach: "Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, der Name des Herrn sei gebenedeit."

Ich wünsche Ihnen aus mitleidvollem Herzen, dass auch Sie weiterhin auf die Liebe und Gerechtigkeit eines für das Leid der Menschen hochgradig sensiblen Vaters vertrauen können..

Ich bete für Sie

Im Namen des Pfarrgemeinderates
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Der Tod ist kein Schnitter, der Mittagsruhe hält; er mäht zu allen Stunden
und schneidet sowohl das dürre wie das grüne Gras.
Cervantes